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So entwickelt man interkulturelle Kompetenzen kreativ!

18.03.2024

In einem Gemeinschaftsprojekt der HTWG und der Southern Taiwan University of Science and Technology beschäftigten sich Studierende mit Konfliktmanagement in internationalen Teams. Erstmals mit dabei: das Theater der Hochschule Konstanz als kreativer Partner.

Die Entwicklung interkultureller Kompetenzen genießt einen hohen Stellenwert in der Ausbildung von Studierendenden an der HTWG. Seit 2018 wird an der HTWG regelmäßig ein Kurs auf Englisch zum Thema „Conflict management in international teams” angeboten. Seit 2020 findet der Kurs in digitaler Form in Kooperation zwischen der HTWG Konstanz und Hochschulpartnern in Asien statt. Der Kurs setzt das Unterrichtskonzept „get_connected um”: Dabei erproben Studierende unter Anleitung der Lehrenden in kulturell gemischten Teams kritische und emotional herausfordernde Interaktionssituationen und erarbeiten gemeinsam interkulturell passende Lösungsstrategien.

Mehr zum Kurs „Conflict management in international teams”
Initiatorin des Kurses ist Prof. Dr. Gabriele Thelen. Sie leitet das seit mehr als 15 Jahren in Kooperation mit verschiedenen Hochschulpartnern in Asien durchgeführte Double-Degree-Bachelorprogramm Wirtschaftskommunikation, Management und Tourismus (WMT) sowie das China-Kompetenzzentrum Bodensee an der HTWG Konstanz (BMBF-Projekt).

Im Wintersemester 2023/24 wurde die Lehrveranstaltung erstmalig in Zusammenarbeit mit der Southern Taiwan University of Science and Technology (STUST) angeboten. Mit dieser Hochschule, die in der Stadt Tainan an der südwestlichen Küste der Insel Taiwan liegt, führt die HTWG seit 2014 ein kooperatives Double-Degree Programm für zwei Studiengänge im Masterbereich durch (International Management Asia-Europe/MIM sowie International Project Engineering/IPE).

Teilnehmende an dem gemeinsamen interkulturellen Kurs „get_connected" im WS 2023/24 waren auf taiwanesischer Seite ein Englischkurs der Abteilung für General Education der STUST. Auf Seiten der HTWG wurde die Lehrveranstaltung durch das China-Kompetenzzentrum Bodensee als Teil seines Zertifikatsprogramms sowie im Rahmen des Studium generale angeboten. Die Teilnahme war daher für HTWG Studierende aller Fakultäten offen.


Linda Görges, Studentin an der HTWG, konnte den Kurs im Rahmen ihres Auslandsaufenthalts vor Ort in Tainan besuchen. V.l.r.: Prof. Dr. Hsin-Yi Huang (STUST), Fu-Hsiang Wang  (STUST), Linda Görges (HTWG Konstanz), Prof. Dr. Chiung-Jung Tseng (STUST)

Theater gibt kreativen Input

Im Wintersemester 2023/24 wurde der Kurs zum ersten Mal durch einen ganz besonderen dritten Projektpartner ergänzt: dem Theater der Hochschule Konstanz, das jedes Semester im Studium generale die Mitarbeit in einem Theaterprojekt als fächerübergreifende Lehrveranstaltung anbietet. In dem Theaterkurs übernehmen die Studierende unterschiedliche Arbeitsaufgaben: von Schauspiel, Dramaturgie oder Bühnenbild bis zu Veranstaltungstechnik, Marketing, Kostüm, Maske, Musik/Band oder Regieassistenz.

Mehr zum Theater der HTWG
Jedes Semester entwickelt das Theater der Hochschule Konstanz mit einem neu zusammengesetzten studentischen Team ein eigenes Stück, das dann während des laufenden Semesters in der Regel 4-5 Mal aufgeführt wird. Spielort ist nicht nur der Campus der Hochschule. Durch die gute Kooperation mit verschiedenen Konstanzer Organisationen und Institutionen konnten bereits Aufführungen an den unterschiedlichsten Orten in Konstanz stattfinden, wie z.B. der Bodenseetherme, der historischen Fähre, ein Fitnessstudio, die Innenstadt Konstanz, das Konzil und zuletzt der Kulturladen Konstanz.

In jedem Semester geht es für die studentischen Teilnehmer*innen des Theater der Hochschule Konstanz also darum, im Team ein Theaterstück selber zu schreiben oder zu adaptieren und ein Inszenierungskonzept (Bühne, Kostüm, Maske, Technik und Schauspiel bilden eine inhaltliche und ästhetische Einheit) mit einer dazugehörigen Marketingidee zu erstellen. Die Theatertruppe (jedes Semester zwischen 40 und 60 Studierende) hat nach Semesterbeginn und einer Findungsphase also nur drei Monate Zeit, um von 0 auf 100 zu gehen.

Ein Kurs zu Konfliktmanagement und ein Theaterprojekt haben mehr gemeinsam als man zunächst denken mag. Beim Theater ermöglicht jedes Arbeitsfeld einen eigenen Lernprozess. Neben den kreativen Aufgaben werden Teamarbeit und Kommunikation mit den anderen Arbeitsgruppen trainiert. Und hierbei sind genau die Kompetenzen gefragt, die auch für das Arbeiten in einer internationalen bzw. interkulturellen Gruppe zentral sind. Zudem ist es im Theaterprojekt Aufgabe, trotz der unterschiedlichen Arbeitsgebiete, den Zusammenhalt und das gemeinsame Ziel in der Gesamtgruppe im Blick zu behalten. Anders gesagt, auch beim Theater lernt man, Differenz und Differenzen in einer diversen Gruppe produktiv zu machen, verschiedene Perspektiven zuzulassen und dennoch gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Visuelle Annäherung an interkulturelle Themen

Für die besondere Kooperation im Wintersemester 2023/24 wurde das reguläre Kursprogramm des interkulturellen „get_connected"- Kurs von den drei Kursleiterinnen Dr. Helena Obendiek und Dr. Yinchun Bai vom China-Kompetenzzentrum Bodensee sowie Anna Herz, Leiterin des „Theater Hochschule Konstanz”, an die neue Studierendengruppe und die außergewöhnliche Zielsetzung angepasst: Als Teil des Lernprozesses wurden die Studierenden angeregt, sich in visueller Art und Weise dem Thema interkultureller Konflikte anzunähern und ihre Gefühlswelt in kurzen Videoclips zu dokumentieren. Anhand des so gewonnenen Video-Materials entwickelte das studentische Theaterteam parallel einen Theaterplot, der das interkulturelle Thema mit aufnahm. 

In der Praxis bedeutete dies: in den wöchentlichen Arbeitstreffen der deutsch-taiwanesischen studentischen Teams bearbeiteten die Teilnehmenden des interkulturellen Kurses selbstständig unterschiedliche Arbeitsaufgaben zu Fragen des interkulturellen Konflikt- und Emotionsmanagements.

Besondere Aufgabe für die Teilnehmenden war das Erstellen von kurzen Videos zu den Gefühlen und Gedanken, die  die interkulturelle Zusammenarbeit in ihren Teams bei ihnen hervorgerufen hat.

Der Einsatz von Theater- und Videotechniken eröffnete für die Kursteilnehmenden eine ganz neue Perspektive auf die Zusammenarbeit, aber auch auf sich selbst. So erzählt Ivy Kao, Department of Visual Communication Design, STUST: „The use of body language and acting in the course is an area I rarely encounter, and such experiences are novel and interesting for me.”

Einblicke in die Videoarbeiten

Die erstellten Kurzvideos wurden in einem nächsten Schritt von der studentischen Theatergruppe in das aktuelle Stück des integriert. Mit dem selbst erarbeiteten Stück „ausgestellt”, einem Krimiplot rund um die Ausstellungseröffnung einer deutsch-taiwanesischen Künstlerin, entwickelte das studentische Theaterteam zudem eine Geschichte, an der taiwanesische Austauschstudierende an der HTWG aktiv beteiligt und in der (inter-)kulturelle Themen integriert waren.


Das Stück „ausgestellt” des Theaters wurde im Kulturladen Konstanz in vier Vorstellungen im Januar 2024 aufgeführt und war per Livestream auf Youtube auch für die beteiligten Studierenden und Lehrenden der STUST in Tainan zu sehen.


Die gedrehten Videos waren Teil der Theateraufführung

 

Das sagen Lehrende und Studierende über den Kurs

Für Theaterleiterin Anna Hertz war die virtuelle Arbeit mit Studierenden in Taiwan eine ganz neue Erfahrung. „In unseren Online-Treffen habe ich wie gebannt in meinen Bildschirm geschaut, um der anderen Seite in Taiwan noch etwas näher sein zu können. Ich bedanke mich für das Vertrauen und die Offenheit gegenüber meiner für die Klasse in Taiwan sicher ungewohnten Arbeitsweise, für die Geduld aller Beteiligten, die für das Überwinden von Sprachbarrieren nötig war und die Wärme, die ich uns und mir gegenüber gespürt habe.“

Auch Dr. Chiung-Jung Tseng (Cathy Tseng), Director & Assistant Professor, Center for Bilingual Education, Southern Taiwan University of Science and Technology, empfand die Zusammenarbeit als Bereicherung: „This exchange has been a valuable experience for both our teachers and students, allowing us to better understand cultural differences and appreciate the complexities of cross-cultural communication. We hope that this collaboration marks the beginning of a long-lasting partnership, and we look forward to future collaborations.”

Für Dr. Helena Obendiek und Dr. Yinchun Bai, die (gemeinsam mit Prof. Thelen) den interkulturellen „get_connected"-Kurs in Kooperation mit Hochschulpartnern in Asien durchführen, öffnete die Integration des Theaters ebenfalls neue Perspektiven auf das Thema Interkulturalität. „Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Theater Hochschule Konstanz haben wir ganz neue Ideen entwickelt, wie wir mit den Studierenden in unserem Kurs das Thema ,Emotionen in der interkulturellen Kommunikation' bearbeiten können“, so Dr. Helena Obendiek, Co-Leiterin China-Kompetenzzentrum Bodensee an der HTWG Konstanz.

„Der schönste Teil dieses Projekts war es nicht nur, die Entwicklung von Persönlichkeit und Gruppendynamik in den interkulturellen studentischen Teams zu beobachten, wie in einem herkömmlichen get-connected Kurs, sondern insbesondere auch, die Kreativität und Freude der Teilnehmer*innen bei den Video-Aufgaben mitzuerleben. Die Anpassung der Aufgaben im Kurs hat uns Lehrenden deshalb viel Spaß gemacht“, sagt Dr. Yinchun Bai, Referentin China-Kompetenzzentrum Bodensee an der HTWG Konstanz.

Auch die deutschen und taiwanesischen Studierenden berichten positiv von ihren neu gewonnenen Eindrücken.

„In the beginning of this course, the teacher asked us to list our ideas or impressions about the people, events, and things related to Germany. Most of these impressions were derived from books or social media. However, these stereotypical views gradually changed through interactions with German classmates and the sharing of experiences by the teachers. Whether it was the way people communicate with each other or how families and relatives interact, it was all different from the initial impressions. I believe this shift is a gift gained from this course”, erzählt Shiro Huang, Department of Industrial Management and Information, STUST.

Anita Gohl, die Asian Studies and Management an der HTWG Konstanz studiert, konnte durch das Projekt auch einen neuen Blick auf die Frage gewinnen, worum es beim Lernen gehen kann. „Many questions and discussions had no right or wrong answers, but that made it every time more exciting to hear their opinions behind their thoughts.”

Zu den neuen Perspektiven, die der Kurs vermittelte, gehörte auch, sich aus gewohnten Strukturen zu wagen, sich aus der Komfortzone zu bewegen und sich auf ein gemeinsames Experimentieren einzulassen.

Für Helena Obendiek steht fest: „Den kreativen Spirit dieses Projekts möchten wir gerne auch in zukünftigen Kooperationsprojekten mit der STUST weiter pflegen, gerne auch wieder in Kooperation mit dem Theater der Hochschule Konstanz!“